Glinder Geschichte - Geschichten aus Glinde



Glinder Geschichte   
      -    Geschichten aus Glinde


Aus der Dorfbucharbeit in Stormarn
Stormarnsche Zeitung  Nr. 143  Donnerstag, den 25. Mai 1944               
Landkreis Stormarn

                                Geschichte und Leben des  Dorfes Glinde in Zahlen
 
Es gibt Leute, die von der Statistik nichts wissen wollen, weil sie sie für trocken und langweilig halten, andere wieder, die der Meinung sind, dass man Statistik für alles gebrauchen, ja sogar mit Statistik alles beweisen könne. Nun ist ja zugegeben, daß die endlosen Zahlenreihen der amtlichen Statistik und der im Laufe der Jahre zu gewaltigen  Bänden und ganze Bibliotheken angewachsenen Ergebnisse der Volkszählungen selbst für den Büchermenschen etwas Erschreckendes haben, denn die Durcharbeitung  ist äußerst zeitraubend.
Dennoch mußte daran gegangen werden, in mühseliger Kleinarbeit die dicken Bände zu wälzen und sie für das Dorfbuch Glinde auszuwerten. So entstand aus lauter kleinen Einzelheiten, Quellennachweisen und Zahlen, Hunderten von Zetteln eine umfangreiche Sammlung von Zahlenwerten und Sachangaben, die schließlich geordnet, zusammengefaßt und auf einen einheitlichen Nenner gebracht, einen  überaus anschaulichen  Abschnitt des Dorfbuches gab, der an Hand von Zahlen ein klares Bild aller Lebensäußerungen des Dorfes gibt und dies wiederum zu Vergleichszwecken in Beziehung steht zur Umgebung, denn das Dorf Glinde liegt ja nicht auf dem Mond, sondern bekanntlich im Kreis Stormarn, und dieser  wiederum in der Provinz Schleswig-Holstein.

Die ältesten Angaben über die Größe des Dorfes Glinde und seine Einwohnerzahlen wurden im Kirchenarchiv zu Steinbeck*   gefunden. Die allgemeine Anlage der Kirchenbücher wurde 1720 in den Herzogtümern angeordnet, aber die Aufzeichnungen der Steinbecker Kirche reichen weiter zurück, bis in die Zeit vor dem Dreißigjährigen Krieg.** Aus den Jahren 1580 bis 90 soll eine Aufstellung der Höfe und Katen aus den  Kirchspieldörfern stammen. Danach hatte Glinde um diese Zeit fünf Höfe und eine Kate. Die ersten zuverlässigen Einwohnerzahlen der Dörfer des Kirchspiels stammen aus dem Jahre 1634. Glinde hatte 51 Einwohner, das ganze Kirchspiel Steinbeck 1082 Einwohner.

Die erste Volkszählung im Herzogtum Lauenburg fand im Jahre 1803 statt. Nach dieser Zählung wohnten in Glinde 39 Familien mit 121 Personen. Die allererste Zählung vom 15. August 1769 im königlichen Anteil, fast ganz Schleswig und der größeren Hälfte von Holstein ließ sich für Glinde nicht auswerten. Es würde zu weit führen, hier alle die Quellen aufzuzählen, aus denen die Ergebnisse der Volkszählungen, die in gewissen Abständen seit 1803 durchgeführt wurden, zu ersehen sind. In dänischer Zeit wurde die Bevölkerungsstatistik sehr genau geführt und in großen, schönen Bänden in deutscher und dänischer Sprache  in Kopenhagen gedruckt.
Als Kuriosum sei erwähnt, daß die damalige Statistik die Kinder unter zehn Jahren, die Analphabeten und die" Blöd- und  Irrsinnigen " getrennt von der übrigen Bevölkerung aufführte.

Nachdem die Herzogtümer zu Preußen gekommen waren,  wurde in Holstein im Jahre 1867 eine sorgfältige Volkszählung durchgeführt. Von diesem Zeitpunkt ab liegen die  Ergebnisse der Volkszählungen sowie der Viehzählungen in der Statistik des Deutschen Reiches und in Auszügen auch in amtlichen Handbüchern vor.
Bis zum Jahre 1936 wiesen die Einwohnerzahlen von Glinde keine erheblichen Veränderungen auf. Von 256 Einwohnern im Jahre 1841 stiegen die Zahlen ganz langsam auf rund 300 im Jahre 1900 und auf etwas über 500  im Jahre 1933. Verglichen mit dem Bevölkerungszuwachs anderer Orte, ist das Wachstum von Glinde in diesen Zeiträumen unbedeutend.
Bis 1936 blieb Glinde ein stilles Bauerndorf, das zwar auch schon infolge der Nähe der Großstadt gewisse Veränderungen in der Zahl und Zusammensetzung seiner  Einwohnerschaft aufwies, aber doch nur eine Entwicklung nahm, die sich in sehr bescheidenen Grenzen hielt. Wenn man nun, so vorbereitet, die folgende Übersicht der Einwohnerzahlen des Dorfes Glinde seit dem 16. Jht mit einem Blick überfliegt, dann sieht man doch, daß die große Mühe sich gelohnt hat und daß, richtig angewandt und ausgewertet, die Statistik keineswegs eine langweilige, trockene  Wissenschaft ist:
 
1580/90    5 Höfe und 1 Kate
1634        51 Einwohner
1803        121 Einw., 5 Hufen, 9 Katen, 1 Mühle
1841        256  Einwohner
1855        256  Einwohner
1867        272  Einw., 58 Haushaltungen
1871         261  Einw., 58 Haushaltungen
1875        253  Einw.,  687 Hektar Grundfläche
1880        247  Einwohner
1891        282  Einnwohner
1895        314 Einw., 56 Haushaltungen
1900        303 Einw., 49 Haushaltungen
1905        385 Einw., 102 Haushaltungen
1925        468 Einw. , 687,6 ha. Grundfläche
1933        544  Einwohner
1939         2168 Einw.,  991 ha. Grundfläche
Zuwachs durch Eingemeindung im Jahre 1938
 

.Aus der Aufstellung läßt sich sehr vieles herauslesen, z.B. die rückläufige Bewegung nach 1871, eine Folge der Entstehung des Gutes durch das Aufkaufen von Bauernstellen und der für diese Zeit kennzeichnenden Abwanderung zur Stadt sowie der Auswanderung nach Übersee, sodann die schon bald nach dem Weltkrieg einsetzende Zuname durch die Siedlungen .Auch der Grundbesitz und die Landwirtschaft des Dorfes Glinde wurden statistisch erforscht und durchleuchtet, ebenso die alten Werte für Münzen, Maße und Gewichte, die zum Verständnis solcher Aufstellungen notwendig sind.  Doch davon soll später die Rede sein.

* Kirchsteinbek    ** 1618 - 1638
Es  wurde die Schreibweise des Originals beibehalten. Sie muss nicht mit der heutigen übereinstimmen.  Wer einen  Fehler findet, darf ihn behalten !   gli /26112016/2053/gets                                    




                                         

Die Aufzeichnungen der  Christine Amsinck (1784 - 1860 )

..........  vielmehr aber machte die gänzliche Stockung des Handels durch den Krieg, die Elbsperre , die Befestigung  Hamburgs  von den Franzosen , daß  ja auf  Jahre der Handel für unsere Vaterstadt vernichtet war.

Aber einst im Jahre1788, wo das Geschäft recht florierte, kaufte der Vater Amsinck noch eine Kupfermühle, zu Glinde, von Hamburg  , die 2 Std., zwischen Steinbeck und Reinbek belegen, der Familie seitdem zur  Kutschfahrt von Sonnabend  bis Montag diente. Da wurde dann am Sonnabend  Morgen von  der Mutter viel gepackt, um  Lebensmittel auf Tage mitzunehmen, da allemal auch Freunde herauskamen. Die Equipage, auf der die Mutter und die Kinder meistens   2  Uhr Sonnabend  nachmittags herausfuhren, war nicht brillant. Vier Bauernpferde mit einem Jungen, der zuweilen kaum groß genug war, um aufs Pferd zu kommen, holten den hölzernen Chaisewagen vom Stall beim Theerhof ab nach dem Holländischen Brook Nr. 72. Mutter,  ihre 3 Töchter nebst einem Dienstmädchen stiegen auf;  Sohn Rudolph  blieb, wie er größer ward, beim Vater zurück, um später  nachzufahren.
     Dann gings zum Deichtor hinaus durch Hamm und Horn, Schiffbeck, Oberschleuse, Ost-Steinbeck über die Heide nach der Glinder Kupfermühle. Diese war, wie man näher kam, ein kleines Paradies gelegen. Längst sah man zwei merkwürdige hohe Tannen, die beide von gleicher Größe waren und schon von einem Punkt des Hamburger Walls beim Deichtor gesehen werden konnten.
Von der Höhe der Heide sah man den großen Mühlenteich, der teilweise vom Garten begrenzt war. Über einen mit Buschwerk umzäunten Damm, über eine Brücke und gepflasterte Straße gings dem Hause zu. Die lauten Schläge des Kupferhammers bewillkommneten uns meistens. Gärtners Frau und Sohn und alles was Hände hatte, entlud rasch den Wagen, indem die Mutter trieb, nicht zu säumen, da die Gäste bald nachkommen würden. Jeder mußte seinen Posten wahrnehmen. Mama und Tochter Hannchen besorgten die Schlafstuben der Gäste zu ordnen. Lisette die Küche, Keller und Speisekammer und überlieferte der Mutter Ausborn, Frau des alten Kupferschmiedes und gewandten Köchin alles Erforderliche und Stine sorgte für Thee und schaffte die Theegeräte, Butter und Brod. Pfeiffen und Tabak zu einem gastlichen Platz im Garten.

War dies besorgt, so rief auch wohl schon des Gärtners Sohn: " Se kummt all uppen Berg " und der Kaffee ward gekocht, Mutter gerufen und die Gäste  bewillkommt. Da schmeckt denn der Kaffee  und das Butterbrod im Freien den lieben leicht befriedigten Gästen. Sei es Onkel Gerhard Steetz und Frau und alte gute Tante  Johanna, sei es Herr Geffken und Frau mit einigen Kindern oder wer sonst. Kaum hatten die Herren, die nicht lange Rast hielten, mit ihren Pfeifen einige Schritte im Garten getan als des Gärtners Sohn aufforderte: ob gefällig, das Fischen mitanzusehen ?
Es ward nämlich im Frühjahr im großen Mühlenteiche gefischt und eine große Menge in einen 4ekigen Teich gesetzt, von wo aus sie leicht zu bekommen waren. Da ging dann die ganze Gesellschaft gerne mit; Gärtner und Sohn mit einem großen Netze voran und umzogen den Teich, wo dann an einer Stelle aufgezogen ward. Ein meistens sehr gesegneter Fischzug von Hechten, Barsch, Braxen und Schlei. Der größte Teil ward dem Wasser wieder übergeben und Mutter Amsinck wählte die Zahl der Fische für den Abend aus.

Dann erscholl es wieder: Madame, de Herr kummt und Vater, der noch die Börse besucht und manches kleines Geschäft ausgeführt haben mochte, kam mit einigen Herren auf seinem leichten Stuhlwagen heraus, sei es Candidat Winder, Cand. Schacht, Herr Duesberg, Herr Bleisticker; letzterer kam meistens erst spät Abends zu Fuß, oder in früheren Jahren Herr Repsold oder manche sonstige Herren. Die schwarzen Wagenpferde witterten schon den Glinder  Hafer  und trippelten gewaltig, verlangend, daß Kutscher Maltes zum Stall führte Nachdem die Herren sich durch Speis und Trank erquickt, ging der Vater erst seinen Geschäften nach, zu dem Kupferschmied,  Meister Ausborn, besah die gefertigten Waren und bestellte wohl aus neue eine geforderte Masse Schiffsblatt zum Beschlagen von Schiffen oder Dachblatt zum  Decken oder  Ausbessern von Kirchen oder anderen Gebäuden oder zum Verschiffen.
Die übrige Gesellschaft erging sich in den weitläufigen Gärten, die sehr viel Obstbäume enthielten, die, wenn sie gut trugen, soviel Äpfel und Birnen verschafften, daß außer dem großen Amsinckschen Hausstande noch manches in der Familie recht reichlich besorgt ward. Diese Obstbäume trugen regelmä0ig sehr gesegnet 2 Jahre nach einander, die  beiden folgenden Jahre wurden sie von den Maikäfern so total abgefressen,  daß sie nicht eine Frucht lieferten und im Juni die gänzlich kahlgefressenen Bäume erst wieder grün ausschlugen.
Da diese Mühle einsam in der Heide lag und ringsrum nichts eben für die Käfer zu finden war, so fielen sie in solcher Menge über die Obstbäume her, daß sie nicht zu vertilgen waren. Bei Eimern und scheffelweise konnte man leicht  auflesen, aber wie töten ? Wurden sie in den Teich geworfen, so ruderten sie bis sie ein Blatt fanden und flogen davon. Ob diese 2 Ruhe-jahre der Bäume es veranlaßten , daß sie die beiden anderen Jahre so über aus gesegnet mit Früchten waren, daß man die beiden unfruchtbaren  Jahre genugsam davon trocknen konnte ?

Übrigens entbehrte das Auge nicht an angenehmen Grün, denn es waren eine solche Masse der schönsten Linden da, die von den  Käfern gänzlich ungefressen blieben, und ihnen nach Sonnenuntergang nur zum Nachtquartier dienten.  Um eine kurze Zeit war es denn nicht geheuer, draußen zu gehen, indem ein solches Gesumme der Käfer war, die oft gerade um Kopf und Gesicht flogen. Wenn die Eichen im Glinder und Steinbecker Holz erst ausgeschlagen waren, wurden wir die Plage los, dann hatten sie aber schon ihren Teil verzehrt.
Vier verschiedene Gärten hatte unser Glinde, den einen zunächst an dem sehr geräumigen Wohnhaus ( wo für 20 Personen Schlafgemächer waren ); die anderen Gärten  dem Wohnhaus gegenüber, und 2 große Alleen außer dem hölzernen Tore, wodurch die nicht nöthige Durchfahrt abgeschlossen werden konnten, da eigentlich kein Weg darüber führte.
Für den ersten Sonnabend  Abend blieb für die Gesellschaft nichts weiter übrig, als sich zeitig in die große Stube des Hauses um den Tisch zu setzen, worauf regelmäßig ein paar große Schüsseln mit gekochten Fischen bei einem Glase Wein das frugale Mahl ausmachten. Zur Zeit vielleicht noch eine Schüssel arabischen Erdbeeren bei einem Käsebutterbrod. 
Herr Professor Lichtenstein als Naturforscher machte einst die Bemerkung, daß die Hechte im  Glinder Teiche sich dadurch auszeichneten, daß der Oberkiefer vorstände, statt daß sonst bei Hechten der Unterkiefer bedeutend vorausragte.

 (Teil 1. Wird fortgesetzt!
Aus dem Buch "Unter dem gekrönten Turm" -   Familiengeschichten um St. Katharinen von Oskar Jänisch 1935)


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